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Herr Zinnbauer, wie stellen Sie sich ihren HSV vor?

Es war sympathisch, offen, schlichtweg gut. Das EXKLUSIV-Interview mit Josef Zinnbauer, dem neuen Trainer der U-23’er des HSV und unserem neuen Lieblingstrainer. Wie er das geschafft hat? Er sagte, ganz anders als sein Vorgänger Rod Cardoso: „Für mich und meine Mannschaft ist die Presse wichtig.“ Was sonst noch neu wird beim HSV, erklärte der 44-Jährige bei zwei Apfelschorlen, die „Harry“ mit seinem letzten Taschengeld zusammengekratzen musste.

 

Herr Zinnbauer, für die Zukunft: Ist Ihnen Joe oder Josef lieber?
Also mich kennen eigentlich alle nur unter Joe. Josef sagt nicht mal mehr meine Mutter. Aber letztlich ist es mir egal.

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Die BTB-Kollegen Hilbrecht und Semmler loben Sie in den höchsten Tönen. Sie meinten, Sie seien sehr herzlich, offen und so ein Typ, den man in den Arm nehmen mag. Haben Sie bei Ihrem neuen Arbeitgeber denn auch schon alle Mitarbeiter geherzt?
Ich muss fairerweise sagen, dass ich in den Arm genommen wurde von den Mitarbeitern, die ich bisher traf. Ich wurde sehr herzlich empfangen, was natürlich sehr angenehm war.

Sind Sie schon in der Hansestadt angekommen?
Nun, Mitarbeiter habe ich schon viele kennengelernt. Aber Hamburg an sich noch nicht. Wobei ich in den fünf Jahren, wo ich in Oldenburg tätig war, öfter mal einen Abstecher nach Hamburg gemacht habe. Dennoch freue ich mich darauf Hamburg noch besser kennenzulernen. Nur derzeit ist ziemlich viel zu tun und von daher sehe ich zurzeit nur die Strecke vom Hotel zum Trainingscamp und zurück. Es ist momentan ein Full-Time-Job, aber das mag ich.

Auf der Vereinsseite des HSV stehen auch die Verhaltensregeln für Trainer: Haben Sie die schon gelesen?
Nein, noch nicht.

Darin heißt es: Der Trainer verhält sich fair und empathisch und soll ein positives, freundliches Auftreten mit Spaß am Fußball an den Tag legen. Sehen Sie da Probleme?
Mein Grundart allgemein ist so, dass ich immer sehr fröhlich bin. Es gibt allerdings auch Momente, wenn ich verliere zum Beispiel, wo ich dann auch mal schlecht drauf bin. Aber im Allgemeinen bin ich sehr umgänglich. Also sollte das mit den Verhaltensregeln passen.

Wie ist generell der erster Eindruck vom HSV?
Es ist für mich überraschend, weil es ja doch ein großer Verein ist. Ich dachte es ist alles unübersichtlicher und würde länger dauern bis ich alle Automatismen und die Abläufe kenne. Aber es ist von Anfang an alles top organisiert, es ist alles da, was man zum professionellen Arbeiten braucht.

Wir würden die letzten Monate beim HSV als ziemlich chaotisch bezeichnen. War einem da ein bisschen mulmig, auf was man sich hier wohl einlässt?
Ja, sicherlich macht man sich viele Gedanken, weil man auch viel liest. Aber ich wurde dann positiv überrascht. Ich dachte, dass es sehr schwer wird sich reinzufuchsen. Aber es ging bislang alles ohne Probleme über die Bühne. Was vorher besprochen wurde tritt bisher ein. Unser Team-Manager Jürgen Ahlert hat das richtig gut gemacht. Mit Marinus Bester hatte ich noch jemanden, der mich unterstützt hat. Auch in Sachen Wohnungssuche, wo wir fündig geworden sind. Meine Familie kommt Mitte Juli nach. So ist es für mich leicht reinzukommen.

Wo gibt es noch Anpassungsprobleme?
Es sind eher persönliche Dinge. Ich weiß beispielsweise noch nicht genau, wo nun der Besprechungsraum ist oder wo das Meeting oder Pressegespräch stattfindet. Aber rein sportlich ist alles gut. Ich hätte gerne etwas mehr Spieler zur Vefügung, aber einige Spieler sind momentan bei der ersten Mannschaft und wir gucken, ob sie dort unterkommen können oder sollen.

Werden wir sportlich. Hamburger Amateurklubs monierten zuletzt immer wieder, dass der HSV-(Nachwuchs) zu wenig Augen auf die Hamburger Oberliga-Talente wirft, sie quasi gar nicht beachtet. Oder wie es ein Trainer sagte: „Man sollte mehr Beziehungen zu den Verein pflegen.“ Wie halten Sie dieses Thema?
Ich kann nun nur von der Karlsruher und der Oldenburger Zeit sprechen, da war ich jedes Wochenende auf den Plätzen unterwegs und habe mir viele Spiele angeguckt. Ich bin immer offen für alles. Wir haben schon das ein oder andere Talent, was sich in Hamburg und Umgebung gefunden hat, zum Probetraining eingeladen. Und es kommen in den nächsten Tagen auch immer wieder Spieler dazu. Ich bin da umtriebig und versuche immer wieder neue Wege zu gehen und Talente zu sichten. Denn Scouting ist immer gut und für mich ganz wichtig. Irgendwo rutscht immer mal einer durch. Mein bestes Beispiel ist Miroslav Klose, der jahrelang Bezirksliga kickte und jetzt bester WM-Torschütze ist.

Kann man Talenten also die Hoffnung machen, dass der HSV wachsam ist?
Ich kann Hamburg noch nicht beurteilen. Ich kenne die Qualität der Oberliga noch nicht. Aber damals sprach man auch immer davon, dass in der Bremer Oberliga keine Qualität ist und ich habe trotzdem Spieler gefunden, die ich gebrauchen konnte. Das ein oder andere Talent wird es auch hier geben. Ich weiß im Moment noch nicht wie viel Zeit ich für die Mannschaft und den Verein brauche. Das hat erst einmal Priorität, dies alles kennenzulernen. Dann wird es auch Abstecher geben um das Umland anzugucken. Das mache ich sowieso immer. Unabhängig vom HSV oder vom KSC.

Mit Ihnen findet eine Art „Umdenken“ statt?
Fakt ist, dass ich immer umtriebig bin. Und das sieht die Scouting-Abteilung hier genauso. Egal ob im Training oder im Testspiel, die Verantwortlichen nehmen sich die Zeit, was ich wirklich gut finde. Wir bewerten zusammen, besprechen Trends und verschiedene Typen und alle nehmen sich viel Zeit für das Thema Scouting. Das war in anderen Vereinen nicht so.

Was halten Sie von unserem Vorschlag: Sie holen sich zwei Mal im Jahr die Besten unter 21-Jährigen zum Testen gegen ihre U23.
Prinzipiell halte ich von so etwas immer was. Denn gucken und beobachten kostet nichts. Im Unterschied zum KSC hat man hier zwar mehr Mitarbeiter und mehrere Gänge, es kostet also mehr Zeit, aber wenn alles eingespielt ist, dann ist diese Zeit auch da. Jedoch glaube ich nicht, dass es Sinn macht die Spieler der Oberliga am Ende einer Saison zu bewerten, sondern ich glaube es ist während der Saison wichtig die Oberliga im Auge zu behalten, denn da entwickelt sich das ein oder andere Talent. Wobei hier in Hamburg auch Hilfe von der Presse kommt, die die Oberliga enorm unterstützt und auf Spieler aufmerksam macht. Es wird öfter mal ein Name auftauchen und der sollte dann bestenfalls auch beim HSV auftauchen. Und nicht bei St. Pauli.

Zu Ihnen: Was wird neu, was haben Sie vor?
Ich weiß ja nicht, wie es bisher war? Für die zwei Spieler aus der Karlsruhe-Reihe, die ich mitgebracht habe, wird nicht viel neu sein, für alle anderen schon. Man ändert sich als Trainer ja in einem gewissen Maße nicht. Man kann das System und Abläufe verändern, wenn der Cheftrainer es will, aber in der Ansprache und Arbeit bleibt man ja gleich. Ich bin ein Mensch, der sehr viel Disziplin hat und auch sehr viel Wert darauf legt. Die Ordnung in der Kabine sieht man auch auf dem Platz. Wenn ich hier nicht ordentlich bin, bin ich es da auch nicht. Das ist das oberste Maß und der Beginn mit meinen Jungs. Und das haben sie auch schon zu spüren bekommen. Sie wissen, dass ich da keinen Spaß verstehe. Aber momentan ist alles harmlos. Die Jungs ziehen super mit und geben Vollgas. Sie müssen in den ersten Einheiten viel Tempo abliefern, aber in den Leistungstests haben sie dahingehend auch alle top abgeschnitten.

Sie sagen, die Spieler haben das zu spüren bekommen.
Bisher ist noch nichts vorgefallen und meine Ansprache war deutlich und auf den Punkt. Es müssen nur alle verinnerlichen: Wir sind eine Regionalliga-Mannschaft, die zu einem Profi-Verein gehört. So müssen wir uns auch verhalten. Überall. Aber die Spieler werden sich bei meinen KSC-Jungs schon erkundigt haben, wie ich sonst werden kann.

Wie stellen Sie sich ihren HSV vor?
Wir brauchen auf jeden Fall noch Spieler, werden aber nichts überstürzen. Die Qualität kann ich noch nicht einschätzen, weil wir noch keinen richtigen Test hatten. Wir haben auch noch kein System und somit ist meine Handschrift noch nicht zu erkennen. Wir hatten in den ersten Einheiten zehn Testspieler und konnten noch nicht so viel machen. Wir haben etwas gesehen und nun wird man nach und nach die Handschrift erkennen, da ich daran sehr akribisch arbeite. Ich glaube schon, dass wir mit viel Ballbesitz arbeiten werden. Wir werden sehr offensiven Fußball spielen und wollen natürlich nicht von Anfang an gegen den Abstieg spielen.

Das klingt nach minimalen Zielen.
Wir dürfen nun nicht nur sehen, dass ein neuer Trainer kommt, sondern auch eine neue Mannschaft. Erstmal nichts mit dem Abstieg zu tun zu haben, ist das Wichtigste. Was danach kommt, ist für uns schon mal positiv. Wir haben mit Fabio Morena nur einen erfahrenen Spieler, der Rest ist blutjung.

Wie ist der Stand in Sachen Patrick Owomoyela? Wir hörten, dass seine Zeit abgelaufen scheint.
Momentan ist er im Urlaub und hat ein paar andere Aufträge. Er wird sich dann bei uns melden. Aber momentan ist das Thema Owomoyela für uns nicht erstrangig. Das liegt aber nicht nur an uns, sondern auch an ihm.

Welche Macken bringen Sie mit? „Richie“ Golz meinte einst zu uns, er hasse es, wenn die Schuhe nicht geputzt sind.
Ich bin sehr abergläubisch. Und ich kann sehr schlecht verlieren. Beim Karten spielen geht das, aber auf dem Platz kann ich es nicht haben, wenn ein Gegner schlechter ist und wir fahrlässig verlieren. Da ist für mich der Ofen aus und ich werde richtig grantig. Das wissen aber alle. Selbst wenn wir 8:0 führen und ein Gegentor bekommen, dann werde ich richtig sauer. Mal ausgenommen es ist überragend vom Gegner gespielt. Ansonsten kann ich so etwas nicht haben.

Nun lernen wir uns erst kennen. Dennoch interessiert uns schon jetzt: Sind Sie ein schönredender Floskeltyp oder würden Sie entstehende Problemzonen offen mit uns besprechen?
Es kommt darauf an, auf welche Zonen sich das bezieht. Also wenn es interne Sachen sind, dann werden diese auch intern besprochen und bleiben in inneren Kreis. Aber sportlich gesehen entwickelt sich auch immer ein Fortschritt, wenn man sich hinterfragt und auch öffentlich mal sagt, dass jemand nicht gut war. Das kann auch Motivation sein. Man muss nur wissen, welche Person man kritisiert.

Was glauben Sie: Warum hat der HSV Sie geholt?
Eine gute Frage, die eigentlich andere Personen beurteilen sollten. Ich glaube, dass Oliver Kreuzer weiß, wie ich arbeite. Er kennt mich. Er weiß, dass ich von früh bis nachts für den Verein arbeiten werde. Ich war selbst Profi und wegen eines Knorpelschadens war ich früh ins Trainergeschäft eingestiegen und habe einige Stationen und Erfahrungen im Fußballgeschäft erleben dürfen. Ich war Co-Trainer in der 2. Liga, Cheftrainer einer U23 bei einem Bundesliga-Verein, habe erste Mannschaften trainiert, habe eine A-Jugend-Bundesliga-Mannschaft vier Spiele vor Ende vor dem Abstieg gerettet, habe es dann auch geschafft in den Jahren bei der U23 mit jungen Spielern zu arbeiten und das war auch erfolgreich. Wir wollten nicht absteigen und sind Fünfter geworden. Zudem habe ich schon als Scout gearbeitet. Ich war somit sehr vielfältig unterwegs. Ich denke, dass hat auch Oliver gefallen. Wäre ich Manager, würde ich es ja genauso machen, wenn ich einen Trainer suche. Wenn ich mit jemandem positive Erfahrungen gemacht habe und wir brauchen einen Trainer, dann würde ich doch auch den vorschlagen, den ich kenne und schätze. Außerdem habe ich den Vorteil nun auch Fußballlehrer zu sein, wo auch viele Vereine drauf achten.

Wann würden Sie sagen: Ich habe den HSV vorangebracht?
Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Ein guter Tabellenplatz wäre schon mal ein sportlicher Erfolg. Aber das ist für mich weniger interessant, sondern mehr für die Mannschaft, weil sie sich für ihre Spielart belohnen würde. Mir wäre es wichtiger, dass die Spieler, die wir für die U23-Mannschaft ausgesucht haben, oben in der Bundesliga auftauchen. Das wäre für mich eine tolle Sache. Wenn man es einmal pro Jahr schafft einen Spieler an die Bundesliga zu binden, wäre das super.

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Sie haben schon bewiesen, dass Sie es können. Wie packt man das an?
Grundsätzlich packe ich alle Spieler gleich an. Manche setzen meine Vorgaben um und kommen durch, andere bleiben auf der Strecke. Aber ich versuche schon auch situativ zu führen. Das geschieht dann trotzdem einheitlich fair und objektiv.

Einer Ihrer Spieler war Hakan Calhanoglu. Wie bewerten Sie seine aktuelle Situation?
Wir kennen uns gut. Ich habe Hakan damals mit Jörn Anderson gesichtet und er hat bei uns den Sprung geschafft. Im letzten A-Jugend-Spiel hat er bei uns ausgeholfen und mir einen Gefallen gemacht. Wir haben ein super Verhältnis, aber jetzt habe ich mich mit Absicht nicht eingeklinkt, weil ich die Situation nicht beurteilen kann und auch nicht will. Ich habe einen persönlichen Draht zu Hakan, bin anderseits beim Verein angestellt und kann mich dazu letztich nicht äußern. Zumal wir derzeit auch keinen Kontakt haben.

Zum Ende eine Twitter-Frage: Sind die Spieler Cigerci, Jung, Derflinger und Müller fest für die U23 eingeplant?
Das kann nur Mirko Slomka beurteilen. Also wir haben die Spieler gesichtet und für uns entschieden sie haben zu wollen.

Harry Jurkschat

Seit Gründung mit auf dem brennenden BTB-Rasen. Im Gegensatz zu Semmler ist Jurkschat smart. Eine Mischung aus Mehmet Scholl und Günter Netzer. Der ewig 31-Jährige Insiderexperte harmoniert sich von Meppen bis Kiel, ist der Ausbügler und Staubsauger in der 2. Reihe. Dazu kommt aufgrund internationaler Fussball-Erfahrung (6 Länderspiele für Deutschland) Know-How im Wesentlichen. Manko: Bisweilen zu symphatisch und häufig mit den Sekretärinnen beschäftigt.