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Sechs Gedanken zum größten Ostseeduell

Blogger Hannes Hilbrecht freut sich auf das größte Ostseeduell, fasst noch einmal seine (sechs wichtigsten) Gedanken zum Spiel zusammen, und ja, bedenkt dabei auch mitfühlend den Bevölkerungsteil, dem das Spiel am heutigen Abend in der Flimmerkiste versagt bleibt.

Foto: calcio-culinaria.de

Imagefilme für Rostock und Mecklenburg-Vorpommern

Das Spiel an sich: Es bietet einfach die komplette Palette: Alles andere als ein spannender Ausgang käme überraschend, die Stimmung wird ganz im Sinne des Derbys aufgeheizt sein. Es wird laut werden und ja, zumindest für die  Psyche der kommenden Wochen wird diese Partie von nicht unerheblicher Bedeutung sein. Schade eigentlich, dass dieses Duell so früh in die Saison gepackt wurde. Vielleicht ist aber auch genau das positiv: Immerhin sind beide Mannschaft noch sehr nahe beieinander. Bewegen sich in unmittelbarer Schlagdistanz. Das kann sich je nach Einfluss der Fortuna und der Trainerfähigkeiten auch ganz schnell verschieben.

Was wird personell interessant werden: In Kiel nicht viel. Das liegt daran, dass in Dortmund die gleiche Mannschaft das 0:2 drehte, die es sich zuvor auch eingebrockt hatte und sich ganz münchhausen-like höchst selbst aus den Sumpf zog. Es erscheint also als wahrscheinlich, dass Kiel sehr ähnlich aufstellen wird. Die einzigen Fragezeichen: Kommt Danneberg für Kegel, darf Schäffler erstmals von Beginn an? Die Antworten klingt zugegeben recht langweilig: Eher nicht. Möglich aber, und das hängt allen voran vor der Rostocker Ausrichtung ab, dass Neitzel prophylaktisch das Mittelfeldzentrum stärken wird. Und Hansa? Gut möglich und zu hoffen, dass Weidlich wieder ins Mittelfeld darf. Allerdings: Julian Jakobs fährt für Robin Krauße mit, nicht unbekannt als Rechtsverteidiger. Sollte Weidlich doch in der Viererkette spielen, dürfen sich Srbeny und Starke Hoffnungen auf einen Einsatz machen. Im defensiveren Zentrum könnte Schünemann durch Christiansen aus der Mannschaft herauskomplementiert werden.

Die Trainer: Neitzel und Vollmann, das ist auch ein Trainerduell mit Hintergrund. Neitzel, ehemals mit Vollmann-Vorgänger Bergmann in Bochum als Trainer amtierend, könnte für seinen geschassten Trainer-Kumpel das Racheross satteln. Vollmann wiederum besitzt seine ganz eigene Beziehung zu Kiel, verlor einmal recht rüde seinen Posten bei der KSV Holstein. Bei aller journalistischer Wollust nach einer Trainer-Brisanz mit einer Prise Fehde – eine ernsthafte Rolle wird keine der Vorgeschichten spielen. Gemeinsamkeiten gibt es übrigens auch. Beide Trainer baten leger in Badelatsche zum BLOG-TRIFFT-BALL zum Interview. Vollmann in grünen Nike-Schlappen, Neitzel in der klassischen schwarzen Adidas-Variante.

Imagefilme für Rostock und Mecklenburg-Vorpommern

Die Zuschauer: Schock für die Kieler-Strategie Deeskalationsstrategie: Zwei „Ossis“ (ich hasse den Begriff eigentlich genauso wie das nicht minder stumpfe „Wessi“)  haben sich nun doch in den Kieler Bereich verirrt. Dazu noch in der ersten Reihe, mit bester Sicht und Rasen unter den Füßen. Karsten Neitzel und Maik Kegel haben es jedenfalls geschafft und sind auch definitiv für Kiel und nicht mit Holstein-Schals maskierte Hansa-Endsendungen. Ansonsten wird es spannend werden, wie  die Rostocker Anhänger auftreten. Ob mit kurzzeitigem Stimmungsboykott für die rigide, aber nicht neue Kartenpolitik? Oder doch farbenfroh, lautstark und wie gegen Erfurt  jederzeit den Sportsgeist im hohen Maße frönend?  Für den Kieler ist das begrenzte Hansa-Kontingent jedenfalls eine Drucksituation: Sind die Hanseaten lauter, kann es jedenfalls nicht an der Masse gelegen haben. Schön wäre es, gerade auch für das Image, wenn die Partie restlos ausverkauft wird. Und bierselig fröhlich bleibt. Also los Kieler, strömt in das Stadion. Macht es nordüütsch frisch!

Die NDR-Übertragung: Apropos Zuschauer. Die hat ja auch der NDR ganz gerne mal im Vorabendprogramm. Heute Abend, um 19 Uhr – der Quotenrenner „DAS!“. Eine Sendung, in der munter mit dem Stargast auf einem roten Sofa geplaudert wird. Für mich als SPD’ler eigentlich Pflichtprogramm, vor allem da Mathias Stühlwordt gastiert. Ein Landwirt mit Milchviehbetrieb, der ganz nebenbei für die stramm-linksökologische „TAZ“ eine Kolumne schreibt. Interessant! Der NDR heizt dem Küsten-Poeten sogar noch mehr an: „Was dieser Landwirt tut, macht er mit ganzem Herzen: ackern, melken, misten und dichten!“ Spätestens jetzt, in der Rollenbeschreibung positiv konnotiert an die Spielweise von Sebastian Pelzer denkend, kommt mir wieder in den Sinn, dass ja heute noch im Holsteinstadion gepöhlt wird. In der Fernsehzeitung findet man jedoch nichts, obwohl es ja norddeutscher im Profifußball gar nicht mehr geht.  Zum Glück gibt’s einen Livestream. Für die Tonspur die Empfehlung des Tages an die Hansa-Fans: Das Fanradio (Der Kieler kann bei RSH im Livestream 90 Minuten Kommentare lauschen) und alle zehn Minuten mal beim NDR-Hörfunk reinhören. Jan Didjurgeit macht das echt ganz große klasse, so zwischen Musikperlen aus den 60ern. Ach ja, mein Opa, selbst Gelegenheitsfan vom runden Leder, würde auch gern gucken. Hat aber kein Handy. Kein Computer und auch kein Internet. Schaut heute im wahrsten Sinne in die Röhre. Mag auch kein „DAS!“, erst recht keine linksökologischen Bauern, obwohl er diese Redewendung sehr oft im Bezug auf mich verwendet. Verflucht gerade den NDR und baut auf „Ditsche“.

Wer wird gewinnen: Eine Frage, die ich nicht wirklich beantworten kann. Ein Unentschieden klingt naheliegend, auch, weil im letzten Jahre beide Male die Punkte geteilt wurden. Ich denke aber, dass es einen Sieger geben wird. Wer das sein wird, wissen wir irgendwann vor neun. Sollte ich mich irren, es aber ein tolles Fußballspiel werden, hat halt der Fußball gewonnen. Wem ich die Daumen drücke? Natürlich dem FC Hansa, aber auch Karsten Neitzel und der gesamten Kieler Truppe. Dass sie toll spielen, zurecht von den Fans gefeiert werden und den Fußballsport verfluchen dürfen, weil die Punkte unverdient nach Rostock gehen. 36 Mal im Jahr drücke ich die Daumen auch für die KSV Holstein, heute mal ausnahmsweise  nicht. Ich habs mir auch nicht ausgesucht, wurde da hineinein geboren. Herr Neitzel habe ich trotzdem alles erdenklich Gute mit aller Ehrlichkeit gewünscht. Einfach, weil er es als dufte Type, immer fair und interessant, verdient hat.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.