Hansas Chance in der Krise
Nur ein Sieg aus den letzten acht Spielen. Beim FC Hansa Rostock zieht nach famosem Saisonstart der erste richtig raue Wind auf. Einzelne Ausführungen von Vorstandschef Michael Dahlmann und Aufsichtsratschef sorgten für zusätzliche Unruhe. Dabei bietet sich dem FC Hansa eine Chance, die nicht viele Vereine als Option In Krisenzeiten wahrnehmen können.
„Fußball ist doch nicht nur Tabelle“, eine Aussage mit einem hohen Wahrheitsgehalt, aber deren Daseinsberechtigung mit fortlaufender Erfolgslosigkeit schwindet. Das bekommt auch Andreas Bergmann zusehends zu spüren, schließlich machte der Übungsleiter nie ein Geheimnis daraus, dass ihm der ansehnliche Fußball fast so wichtig ist wie die erspielten Punkte. Doch auch der zu Saisonbeginn sehr ansehnliche Fußball verlor in den letzten Partien seinen Glanz. Wenig verwunderlich, schließlich lassen die schwächelnden Ergebnisse der letzten Wochen das Selbstvertrauen beträchtlich schwinden.
Fünf Spiele ohne Sieg sind für jeden Verein eine Durststrecke. Für einen stolzen Verein wie dem FC Hansa, der am Status des Drittligisten eh schon genug zu knabbern hat, ist das jedoch schon fast mehr als eine Durststrecke. Logisch, das kritische Äußerungen und Töne, die es seit Saisonbeginn gab, nun ein lauschfreudigeres Publikum finden. Der Trainer steht medial zwar noch nicht zur endgültigen Disposition, doch kann man spüren, dass der Weg dorthin nicht mehr allzu weit ist. Zumindest was die breite Öffentlichkeit angeht.
Dabei steht eines außer Frage: Ein Trainerwechsel wäre auf vielen Ebenen eine Katastrophe. Die finanziellen Aspekte, die sich jedem denkfähigen Individuum von selbst erschließen, sind dabei nur der kleinste Faktor. Mit Andreas Bergmann gelang es den Rostockern einen Cheftrainer zu akquirieren, der förmlich für die Aufgabe des Hansa-Trainers prädestiniert ist. Ein erfahrener Mann, mit weitreichenden Kompetenzen in Sachen Nachwuchsförderung. Dazu das Gegenbild eines Selbstdarstellers, der seine eigene Person möglichst wenig in das Zentrum rücken will. Die Wunschlösung Andreas Bergmann, mit der Sport-Vorstand Uwe Vester entscheidungstechnisch untrennbar verbunden ist, war und ist auch immer noch eine langfristige Orientierung. Daraus, dass in dieser langfristige Planung auch Schwächeperioden einkalkuliert werden müssen, machte Andreas Bergmann nie ein Geheimnis. In Momenten des emotionalen Überschwangs mahnte der Fußball fast gebetsmühlenartig die „Instabilität der Mannschaft“ an.
Natürlich muss sich jedoch auch ein Trainer hinterfragen, wenn eine Mannschaft aus acht Spielen nur ein mageres Pünktchen holt. Die Mannschaft hat sich als solche klar gegenüber den „Verweigerungsfußball“ des Vorjahres verbessert, doch rufen gerade die hochveranlagten Spieler individuell zu wenig ab. Ein möglicher Grund: Die Doppelbelastung von Andreas Bergmann. Ein Beispiel: Wenn Andreas Reinke sich mit den Torhütern beschäftig, muss sich der Trainer mit 20-Mann alleine befassen. Durchaus machbar. Viel Zeit für die individuelle Betreuung der besonders Förderungsbedürftigen bleibt jedoch nicht über. Ein Vergleich zur Schulzeit drängt sich förmlich auf, schließlich lässt sich in kleineren Klassen viel besser lernen. Ein Co-Trainer würde da Abhilfe schaffen.
Sport-Vorstand Uwe Vester macht keinen Hehl daraus, dass er gerne einen Assistenztrainer hätte: „Prinzipiell hätte ich schon gerne einen Co-Trainer“ ergänzt jedoch: „Wir werden keinen Co-Trainer holen, nur um diese Position zu besetzen. Es müsste schon ein Kandidat sein, der perfekt hinein passt“.
Die Co-Trainer Thematik beschäftigt momentan sowohl Medienvertreter als Fans. Gerne kommuniziert wird dabei der Name Timo Lange. Der Grevesmühlener, lange Jahre die Rostocker Identifikationsfigur, assistierte bereits unter Frank Pagelsdorf an der Ostseeküste. Ein loyaler Gefolgsmann, der seine Aufgaben erledigen würde. Ein Mannschaftstraining leiten, während sich Bergmann dem Feintuning widmet: Vorstellbar.
In das Kandidaten-Portfolio, das Andreas Bergmann konkret erläutert, passt der ehemalige Anker-Trainer jedoch überhaupt nicht rein, wie sich in den Ausführungen des Cheftrainers abzeichnet: „Wir brauchen keine zusätzliche Erfahrung. Davon haben Andreas Reinke und ich genug. Ein junger Trainer mit frischen Impulsen, zum Beispiel was das Athletiktraining anbelangt, wäre eine Option“. Grundvoraussetzung sei aber, dass „es menschlich passt“.
Für den FC Hansa könnte sich aus der fehlende Co-Trainer-Personalie sogar noch eine Chance entwickeln: Schließlich besitzt der Verein die Möglichkeit, im Trainerstab Feinjustierungen vorzunehmen, ohne einen Stuhl räumen zu müssen. Besonders den Stuhl, der auf lange Sicht ziemlich gut besetzt ist.