Herr Bornemann, wie geht es Ihnen?
Zum Finale nach Darmstadt. Samstag. Zum Drittliga-Dritten. Ab 13.30 Uhr steht für den abstiegsbedrohten Kieler nicht nur eine läppische Saison sondern die sstrapziöse Arbeit einiger Jahre auf dem Spiel. Vor dem Zitterkick sprachen wir mit Kiels Manager Andreas Bornemann über Enttäuschungen, der nachgesagten Kumpanei mit Chefcoach Neitzel und ob er bei einem Abstieg seinen Stuhl räumt.
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Foto: calcio-culinaria.de
Hallo Herr Bornemann, schön dass wir Sie in der Woche vor dem Abstiegsfinale erwischen. Ganz salopp gefragt: Wie geht es Ihnen nach 37 Spieltagen?
Ich würde es als eine Mischung aus Optimismus und Anspannung beschreiben. Natürlich ist uns bewusst, dass am Samstag eine sehr schwere Aufgabe auf uns wartet, doch bin ich mir im Klaren darüber, dass wir selber alle Möglichkeiten haben, den notwendigen Punkt aus eigener Kraft zu holen.
Wie oft haben Sie schon das berühmte „Hätte, Wenn und Aber“ bemüht? Denn eigentlich war doch die KSV Holstein viel zu gut für Platz 17.
Selbstverständlich könnten wir uns diese Fragen stellen. Aber im Fußball gibt es das nicht, im Fußball zählen primär die Zahlen und Ergebnisse. Das haben wir auch offen mit der Mannschaft kommuniziert, denn jedem ist klar, dass dieser notwendige Punkt schon längst hätte da sein müssen, wenn man die gesamte Saison im Auge hat.
Wo wir schon bei Zahlen sind: Besonders abstrus wirkt ja das Torverhältnis. Die KSV Holstein steht bei Plus2 und ist 17., Wehen-Wiesbaden ist 4. und steht bei Minus1.
Es sind ja nicht nur die Werte der Tordifferenz. Ich glaube es ist ein Novum, dass eine Mannschaft mit 42 Punkten am letzten Spieltag noch um die Klasse fürchten muss. Allgemein befinden wir, dass wir eine ordentliche Saison gespielt haben, die einige Höhen und Tiefen aufgewiesen hat. Wir haben nur in sehr wenigen Spielen chancenlos agiert und deutlicher als mit einem Tor Rückstand verloren. Letztendlich geht es darum, eine ordentliche Spielzeit mit dem Erreichen des Saisonziels Klassenerhalt zu einer Guten zu machen.
Die Defensive macht also oftmals einen tollen Job, im Sturm klemmt es aber bedenklich. Nur ein Marc Heider trifft regelmäßig. Marcel Schied trifft dagegen nur in jedem 10. Spiel …
Ich möchte es nicht ausschließlich an unseren Stürmern festmachen. Die Defensive hat natürlich sehr gute Arbeit verrichtet, doch wurde diese auch von anderen Mannschaftsteilen begünstigt. Wir haben mannschaftstaktisch gute Arbeit geleistet und sind besonders läuferisch weit vorne mit dabei. Von daher gebührt auch anderen Mannschaftsteilen die Anerkennung für die guten defensiven Statistiken. Mannschaftlich geschlossen haben wir ja auch unsere Tore erzielt. Fast jeder Spieler mit regelmäßigen Einsatzzeiten hat sein Tor gemacht, das kann ebenfalls positiv gewertet werden. Leider kamen unsere Stürmer, die in Form von Marcel Schied und Fiete Sykora bereits höherklassig ihre Klasse bewiesen haben, nicht wirklich in einen Lauf. Dann wäre auch eine zweistellige Ausbeute möglich gewesen.
Wie zufrieden sind Sie mit Ihren Transferbemühungen im Winter?
Ich glaube jedem Fußballbeobachter ist klar, dass Wintertransfers immer mit einem hohen Risiko verbunden sind. Das liegt daran, dass sowohl die Transferphase, als auch die Vorbereitung sehr kurz sind und es schwer ist, Spieler auf Anhieb zu integrieren. Generell muss man sagen, dass manche Spieler die Erwartungen voll erfüllt haben, andere wiederum ihren Erwartungen hinterherhinken. Ein Mikkel Vendelbo funktioniert zum Beispiel sehr gut und ist einer der Schlüsselspieler in der Rückrunde. Von einem Manuel Schäffler, der einige gute Szenen hatte, sich aber nicht mit einem Tor belohnen konnte, hätte man sicherlich etwas mehr erwartet. Generell ist es wichtig zu sehen, dass jeder Spieler seine eigene Geschichte besitzt. Die gilt es zu beachten.
Wie froh sind Sie über den Zustand, dass der Kieler Sportjournalismus – auch in sportlich schweren Zeiten – stets ohne unbequeme Boulevard-Reporter funktioniert? In anderen Städten wären Ihnen andere Schlagzeilen um die Ohren geflogen.
Ich denke das spricht für die stabilen Strukturen im Verein. Probleme werden, sofern es welche gibt, immer unter den betroffenen Personen geklärt und gelöst. Niemand hat es bei uns nötig, seine Probleme in die Medienlandschaft zu kehren. Im Vergleich zu anderen Vereinen kommt uns zusätzlich entgegen, dass wir aufgrund der etwas anderen Tradition im Vergleich zu Hansa Rostock oder Magdeburg, nicht jeden Tag die Zeitung mit den vier großen Buchstaben vor der Tür stehen haben, die ihre Leserschaft täglich versorgen muss. Allgemein gilt aber unabhängig von den Medien: Je weniger Interna vom Verein nach Außen getragen wird, umso mehr Ruhe steckt in Mannschaft und Umfeld.
Kommen wir zum Endspiel. Warum wird Ihre Mannschaft nicht nervös?
Das hoffen wir natürlich. Wir sind aber sehr zuversichtlich, da die Mannschaft im letzten Jahr mit dem Druck des Aufstiegsrennens und der Relegation sehr gut umgegangen ist. Viele Spieler kennen sich mit Entscheidungsspielen aus, da sie im letzten Jahr unter anderem gegen Havelse erfolgreich Erfahrungen mit diesen Situationen gesammelt haben.
In solchen Situationen greifen Mannschaften oft zu neuen Mitteln. Was machen Sie am Wochenende anders als vor dem 3. Spieltag?
Wir reisen wie immer am Freitag zum Auswärtsspiel an. Es wird allenfalls kleinere Abweichungen geben, die finden sich aber eher im Trainingsplan und waren bereits Bestandteil der gesamten Saison.
Oft wird es ja so praktiziert, dass die Mannschaft während des Spiels keine Zwischenstände mitgeteilt bekommt. Wird das Team in der Kabine abgeschottet, oder will man den Eindruck eines normalen Spiels erwecken?
Am letzten Wochenende wurde es bei uns so praktiziert, dass wir im Stadion keine Ergebnisse durchgegeben haben. Jedoch haben wir erstens in Darmstadt keinen Einfluss darauf und zweitens bekommen es die Spieler auch so mit. Durch Zurufe der Fans, wie zum Beispiel im letzten Heimspiel gegen Dortmund, erfahren die Spieler auch ohne Durchsagen, wie es auf anderen Plätzen steht. Wir selber hätten kein Problem damit, wenn Darmstadt auf Durchsagen verzichten würde, allerdings könnte daraus auch ein Vorteil entstehen. Sollten die Dortmunder – die ihr letztes Heimspiel gewinnen wollen – in Führung gehen, dürfte dass die Füße unserer Akteure doch deutlich entspannen.
Sie haben lange für das Ziel 3. Liga gekämpft. Stünden Sie dem Verein in der Regionalliga Nord weiterhin zu Verfügung – oder würden Sie Ihren Stuhl dann freiwillig räumen?
Ich beschäftige mich mit der Option Regionalliga nur in so weit, dass wir für den Worst-Case die Lizenz beantragt haben. Ich selber denke optimistisch nur an das letzte Spiel und den einen Punkt den wir in Darmstadt brauchen, als auch an das Landespokalfinale eine Woche später. Andere Szenarien spielen momentan für mich keine Rolle und nichts anderes erwarte ich auch von der Mannschaft.
Sie und Karsten Neitzel gelten als zwei Protagonisten, die sich seit Jahren und gemeinsamen Zeiten beim SC Freiburg lange kennen und auch menschlich sehr schätzen. Wie helfen Sie ihrem Trainer?
Es wird ja gerne so dargestellt, dass wir eine echte Männerfreundschaft pflegen und uns gegenseitig Jobs zuschieben. Dem ist nicht so, wir haben zwar ein gutes Verhältnis aus unserer Zeit beim SC Freiburg, doch hatte die Entscheidung für Karsten Neitzel nichts mit freundschaftlichen Motiven zu tun. Wir standen damals unter Zeitdruck und hatten nicht die Möglichkeit eines Trainercastings wie derzeit Eintracht Frankfurt. Da ist es doch logisch, dass man sich mit Trainern beschäftigt, von denen man die jeweiligen Attribute möglichst genau einschätzen kann. Karsten Neitzel hat unsere Erwartungen bestätigt und ist kurz davor die Mannschaft zum Saisonziel zu führen. Nicht mehr haben wir erwartet. Ich unterstütze ihn dabei wie alle anderen Trainer, mit denen ich bisher arbeiten durfte. Heißt: Einen Männerabend bei einem Bier, wie Sie es vielleicht erwartet haben, wird es nicht geben.
Herr Bornemann, vielen Dank für das Gespräch und: Der ganze Norden drückt Ihnen die Daumen in Darmstadt.