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Licht an für Jiracek, Licht aus für Olic

Sieg in Paderborn. Wow. Drei Tore in Paderborn. Mega. Aber mal ehrlich, P-A-D-E-R-BORN! Nun ist aber mal gut mit der Ausflipperei. Wo denn sonst, wenn nicht in PADERBORN? Die Hamburger können gar froh sein, dass sie gestern Abend nach PADERBORN mussten, denn anderswo in der Bundesliga hätte es mit so einem 90-minütigen Glücks-Auftritt erneut einen an die Ohren gegeben. Unsere ehrliche Analyse, gespickt mit vielen Zahlen.

Der HSV hat – trotz der historischen drei Tore in der Benteler Arena – kein gutes Spiel hingelegt. Im Grunde genommen reichte ein guter Laufweg von Jansen, ein Gerd-Müller-Roller von Jansen und eine Flanke von Jansen und bumms, 3:0. Ich seh’s wie Paderborns Torwart Lukas Kruse der nach dem Spiel schnell zu der Erkenntnis kam: „Wir waren heute die klar bessere Mannschaft.“

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Gladbach (3.) – Freiburg (15.) 1:0
Dortmund (18.) – Augsburg (4.) 0:1
Berlin (17.) – Leverkusen (5.) 0:1
Köln (10.) – Stuttgart (16.) 0:0
Paderborn (14.) – HSV (13.) 0:3

Tatsächlich: Ich habe auch gesehen, dass der HSV defensiv die Räume flott eng bekommen hat, die Mittelfeldkette bei langen Bällen ruckizucki auf fünf Meter an der Viererkette dran war, viel Druck auf den Ball gemacht wurde und Stieber, Jansen und Jiracek passabel unterwegs waren. Die 123,56 abgerissenen Kilometer aller Rothosen unterstreichen dies ja auch nochmals. Damit schafften die Zinnbauern nicht nur knapp 5,2 Kilometer mehr als die Paderborner, sondern waren erneut topdrauf im Vergleich der anderen Kellerteams (Freiburg: 122,66km, Dortmund 122,18km, Stuttgart 121,86km, Berlin 113,90km). Wir erinnern uns: Bereits am Wochenende im Spiel gegen den 1. FC Köln kamen die Hamburger auf Bestwerte.

Mit Ball am Fuß gelang aber auch beim Aufsteiger SC Paderborn nicht viel. Es scheint fast, als verbiete Joe Zinnbauer den Fußball. Und die braven Spieler halten sich artig daran. So bleibt’s mit überschaubarem Aufwand möglichst unkompliziert und kontrollierbar im Offensivbereich, aber eben auch dürftig.

In den ersten 30 Minuten brachten es die HSV’er auf ganze 36 angekommene Pässe, die den eigenen Mitspieler erreichten. Das ist grob geschätzt EIN PASS PRO MINUTE zum eigenen Mann! Dass es am Ende des Spiels immerhin noch auf 61 Prozent Passquote ging (sank während der 1. Halbzeit auch mal auf unter 50 Prozent!!!), war lediglich der Tatsache geschuldet, dass die Hamburger sich in den letzten Minuten die Bälle zuschieben durften, weil das Match entschieden war. Zum Vergleich: Selbst völlig ideenlose Berliner kamen gegen Leverkusen auf 65 Prozent, Dortmund brachte es auf immerhin 72% gegen ab der 65. Minute nur noch zu zehnt spielende Augsburger, Stuttgart spielte sich mit 82% Sicherheit die Bälle in Köln zu und FREIBURG bestach in Gladbach mit rekordigen 88,12 Prozent.

Fast nochdramatischer: Die Hamburger hatten bei einem Überraschungsaufsteiger 39 Prozent Ballbesitz. Bei einem Aufsteiger. Mit nur 503 Ballbesitzphasen stellte man den Tiefstwert aller Teams an diesem Spieltag. Freiburg beispielweise hatte in Gladbach 880 Ballbesitzphasen. Ja, wieder die Breisgauer, die am Niederrhein gar 63% Ballbesitz hatten, während der HSV in Paderborn auf 39 Prozent kam, was nochmals unterstreicht dass der HSV mit dem Ball nicht kann.

Allerdings erklärt es sich bei genauerem Hinschauen dann. Im Moment, wo Drobny den Ball bekommt, lösen sich die Innenverteidiger in Luft auf, wagen gar nicht mehr den Blick auf den Torwart (geschweigedenn bieten sie sich an), sondern rücken sofort Richtung Mittellinie. Drobny bolzt die Pille weg, logischerweise gewinnen Olic, Stieber und Müller die Bälle nicht, der Ball kommt zurück und dann wird mit dem ersten Kontakt wieder planlos der Ball in die Luft gehauen. Nee, also ganz ehrlich, so geht Bundesliga im Jahr 2015 nicht. Aber so haben sie es immer wieder gemacht. Bloß kein Risiko. Was okay bei einem Auswärtsspiel in Hannover oder Mönchengladbach wäre. Aber es war ein Abend in Paderborn.

Mein Eindruck ist, dass sich die Spieler viel zu eng(stlich) in ihren Positionsräumen aufhalten, halt so wie Zinnbauer es an die Tafel gemalt hat, so will es jeder ohne jeglichen Spiel- und Gestaltungsraum richtig umsetzen. Vor allem bei eigenem Ballbesitz. Ich sehe keine Auftaktbewegungen, niemand will sich Platz machen, keiner – außer Jansen gestern – spritzt in den Raum, es ist meistens nur der aktiv, der gerade den Ball treibt. Die Kombination Pass-Pass-Pille-weg ist fast immer die Folge.

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Auch das noch: 13 Schüsse auf die eigene Kiste waren übrigens wieder schlechtester Wert der letzten vier Teams. Gegen Paderborn, dass nun seit neun Spielen auf einen Sieg wartet. Und am Ende notierten wir 46 % Zweikampfquote. Nur Stuttgart mit 41% war in Köln noch schlechter unterwegs. Dafür haben die Hamburger aber mit 18 begannenen Fouls wieder am meisten der Kellerkinder zugelangt.

Was mir gefiel: Die Positionsverschiebung von Marcell Jansen ins linke Mittelfeld. Im Gegensatz zum schwachen Köln-Gouaida ist Jansen nämlich einer, der nicht ständig an der Außenlinie klebt. Er zieht in die Mitte, will im letzten Drittel des Spielfelds zum Tor. Wie nicht nur nach acht Sekunden, als er mit seinem Laufweg und dem erwzungenen Elfer den Auswärtsdreier erlief, sondern immer wieder riss sich der 29-Jährige von der Kreide los, wurde im Mittelfeld zur zentraleren Anspielstation, schaffte Überzahl und vor allem wurde er durch die ständige Bewegung unkontrollierbar. Gouaida war hingegen einfach zu verteidigen, bewegte sich gegen Köln immer an der Außenlinie. Das machte ihm selbst nicht nur das Spielfeld eng, sondern ist für einen Verteidiger mit ziemlich wenig Aufwand abdeckbar, da er sich immer im Blickfeld bewegt und wenig Überraschung präsentiert. Obendrauf war Jansen wieder mit Abstand zweikampfstärkster HSV’er, gewann mit seinen 21 siegreichen Duellen fast doppelt soviele wie der in dieser Statisitk zweitplatzierte Heiko Westermann (12).

Fazit: In Paderborn hat es mit Kampf und Leidenschaft zu einem Sieg gereicht. Im Laufe der Rückrunde, und ein Paderborn gibt’s kein zweites Mal geschenkt, werden solche Auftritte mit Packungen bestraft.

→ Zur Licht-an und Licht-aus-Analyse

Harry Jurkschat

Seit Gründung mit auf dem brennenden BTB-Rasen. Im Gegensatz zu Semmler ist Jurkschat smart. Eine Mischung aus Mehmet Scholl und Günter Netzer. Der ewig 31-Jährige Insiderexperte harmoniert sich von Meppen bis Kiel, ist der Ausbügler und Staubsauger in der 2. Reihe. Dazu kommt aufgrund internationaler Fussball-Erfahrung (6 Länderspiele für Deutschland) Know-How im Wesentlichen. Manko: Bisweilen zu symphatisch und häufig mit den Sekretärinnen beschäftigt.